Schulbräuche

Schulbräuche
Schulbräuche,
 
mit der Entwicklung des Schulwesens entstandene Bräuche; sie dienten zum Teil der Entspannung und Ermunterung, entsprangen aber auch der wirtschaftlichen Notwendigkeit, Schülern und Lehrern auf rechtmäßigem Weg zusätzlich zu Lebensunterhalt und zu Lehr- und Lernmitteln zu verhelfen. Eine lange Tradition hat diesbezüglich der Chorgesang, der v. a. in den Klosterschulen gepflegt und später auch von den Kurrenden der Stadtschulen übernommen wurde: Gottesdienste und andere kirchliche Veranstaltungen wurden mit Chorgesang und Kirchenmusik der Schüler und Lehrer bestritten, die dafür entlohnt wurden; sie sangen auch bei familiären Festen und warteten in den Quartieren durchreisenden Herrschaften auf. Ein ausgedehntes Heischebrauchwesen entwickelte sich im 16.-19. Jahrhundert aus dem weihnachtlichen Ansingen, das schon von jeher Spenden eingebracht hatte. Vom Martinstag an, im Advent, an Neujahr und Dreikönig bis Ostern zogen Schülergruppen von Haus zu Haus, zuweilen von Ort zu Ort, um lebensnotwendige Spenden zu erbetteln. - Unter den Schulfesten gelangte zunächst das des Kinderbischofs (als Knabenbischof 1169/64 erstmals belegt) mit »verkehrter Welt« für einen Tag zu langer Tradition; seit dem 14. Jahrhundert gebietsweise auch am Tag des Schülerpatrons, des heiligen Nikolaus von Myra, begangen. Schon früh gefeiert wurde auch das Schulpatronat der heiligen Katharina von Alexandria. Legenden dieser beiden Heiligen lieferten bereits im 12. Jahrhundert Stoff zu dramatischen Aufführungen durch Klosterschüler. Bei Mai- und Pfingstfeiern erschienen in England seit dem 13., in den Niederlanden seit dem 14. Jahrhundert Schülerkönige, zuweilen mit einer Königin und einem Hofstaat aus der Schuljugend. Im 16. Jahrhundert kam das Gregoriusfest - mehr ein Schulausflug - hinzu. Ausflüge ins Grüne mit Spielen, Singen, Tanzen, Essen und Trinken wurden meist zu Sommerbeginn unternommen. U. a. noch heute üblich sind: »Ruethenfest« in Landsberg am Lech, »Dinkelsbühler Kinderzeche« (ursprünglich seit 1635, ab 1848 als Volksfest und Touristenattraktion).
 
Im strengen alltäglichen Schulbetrieb hatten Strafrituale mit Rutenstreichen, Eselskappe und Eselsbank einen festen Platz. Im 16. Jahrhundert kamen auch Belohnungsgaben auf, vom 17. Jahrhundert an waren es billige Bilderdrucke, im 19. Jahrhundert die »Fleißbillets« (»Fleißbildchen«). Schulanfang, Schulschluss und Ferienbeginn wurden zum Teil lokal unterschiedlich begangen. Gegen die seit der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Thüringen und Sachsen bekannte »Zuckertüte« (usprünglich Provianttüte) setzte sich in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts die Schultüte zur Einschulung durch.
 
 
E. Reicke: Magister u. Scholaren. Illustrierte Gesch. des Unterrichtswesens (1901, Nachdr. 1976);
 H. Schiffler u. R. Winkeler: Tausend Jahre Schule. Eine Kulturgesch. des Lernens in Bildern (41994).

Universal-Lexikon. 2012.

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  • Zuckertüte — Schultüte * * * Zụ|cker|tü|te 〈f. 19〉 = Schultüte * * * Zụ|cker|tü|te, die (landsch.): Schultüte. * * * Zuckertüte,   Schulbräuche. * * * Zụ|cker|tü|te, die (landsch.): Schultüte: ..., als der Sohn das erste Mal mit der Z. in der Schule gewesen …   Universal-Lexikon

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